Berichte in Der Landbote

Filet oder Kaviar von der Schnecke

Der Landbote, 07. Februar 2012 - Daniel Stehula

Die Familie Bähler züchtet Schnecken. Das Fleisch der Tiere verkauft sie an Restaurants, die Häuschen an Bastelläden. Trotz steigender Nachfrage wirft die Schneckenfarm noch zu wenig ab, um davon leben zu können. Nun soll Kaviar den Erfolg bringen.


In der Scheune schlafen 50 000 Schnecken. Draussen auf der Weide können es nochmals so viele sein oder mehr. Armin Bähler kann sie nicht alle zählen, im Herbst haben sich die Schnecken – eine nach der anderen – im Boden eingegraben.

In luftigen Kisten aus Dachlatten und Maschendraht verbringen die 50 000 den Winter. Im Herbst haben sie je hundert Eier gelegt. Die neue Generation wächst in Säcken aus gelbem Plastikgeflecht heran, die von der Decke hängen. In der Scheune riecht es nach Schnecken, nicht unangenehm, es ist ein etwas strengerer Erdgeruch.

Winters krampfen auf dem Bau
Armin Bähler schaut sich seine Tiere an. Er ist zufrieden, sie sind gut gewachsen. Im Frühling wird er sie verarbeiten können. Das Fleisch einer Schnecke bringt nach aufwendiger Verarbeitung gut einen Franken ein, das Häuschen verkauft Bähler für fünfzig Rappen. Für den einzigen Schneckenfabrikanten der Schweiz reicht das nicht, um davon leben zu können. Er hat eine Familie zu ernähren, seine Eltern arbeiten im Schneckengeschäft mit und es drohen immer wieder Rückschläge: Einmal sind die Schnecken nach starken Regenfällen auf der Weide ertrunken, vergangenen Sommer töteten Parasiten viele der Tiere. Der Züchter ist machtlos. «Man meint vielleicht, Schnecken zu züchten sei einfach», sagt er, «aber das ist es nicht.»


Seit vier Jahren arbeitet Bähler im Winter auf dem Bau, um ein zusätzliches Einkommen zu haben. Er sagt: «Um von den Schnecken leben zu können, müssen wir einen Ganzjahresbetrieb hinbekommen.» In Italien oder Frankreich ist dies der Normalfall.

In zwei Jahren wollen Bählers die Treibhäuser einer benachbarten Gärtnerei übernehmen und dem Winter künftig ein Schnippchen schlagen. In der Garage des kleinen Bauernhofes, auf dem Bählers Grosseltern gewirtschaftet haben, experimentieren die Schneckenzüchter mit Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

 

So geht es, seit Armin Bähler und sein Vater Hans¬ueli 2004 auf die Schnecken gekommen sind. Der Vater hatte dem Sohn vorgeschlagen, Schnecken zu züchten, weil dieser als Bub die Weinbergschnecken säckeweise sammelte und verkaufte. Armin war sofort dabei. Doch für den neuen Beruf gibt es keine Ausbildung. Die Männer mussten sich alles selbst aneignen. Man besuchte Schneckenzuchten in Deutschland, Frankreich und Italien, unternahm erste Gehversuche in Elgg, freundete sich mit einem Elsässer Züchter an, lernte, tüftelte und wuchs stetig. «Bei unserem ersten Tag der offenen Tür 2004 servierten wir 20 Portionen Schnecken», erinnert sich Armin Bähler. Das sind 120 Tiere. Beim «Schneckentag 2011» assen die Besucher 2000 Schnecken. Es geht voran, denkt Armin Bähler und deshalb packt er das Projekt Winterbetrieb an.

Ein paar Dutzend Schnecken haben Bählers geweckt und in die Garage gebracht. Dort leben die Tiere nun auf einem selbst gebauten Gestell aus Kunststoffrohren, Dachlatten, Plastikfolien. Bald wird Bähler die Anlage mit Bechern bestücken, in die er Erde gefüllt hat. Die Schnecken werden darin ihre Eier legen und Bähler wird die Becher wieder einsammeln, die Eier säubern und abfüllen.

Wenn die Pilotphase abgeschlossen ist, sollen zehntausend Schnecken in der kleinen Garage leben. «Im Frühling», kündigt er an, «bringen wir unseren Schneckenkaviar auf den Markt.» Weiss wird er sein, sich im Mund wie Kaviar anfühlen, jedoch nicht nach Fisch schmecken. Bähler hofft auf Interesse bei den Gourmetrestaurants, die heute schon Filets bei ihm beziehen.

Das Jahr der Entscheidung
Bähler muss immer wieder Neues anreissen. So sei er, sagt er, ein Modellbautyp. Er baut etwas auf, damit er es gebaut hat. Drum gibt es ein Raclette? stübli auf dem Hof, drum hat er Schnecken auch schon zu Likör verarbeitet. Aber ein Modellbautyp kann auch loslassen und so sagt Bähler: «Jetzt sind wir in der fünften Saison. Wenn wir es dieses Jahr nicht schaffen, von den Schnecken zu leben, müssen wir ans Aufhören denken.»


Hier wird "Slow Food" gezüchtet

Der Landbote, 30. August 2010 - Sven Epting

 

In Elgg tickten am Wochenende dei Uhren etwas langsamer. Die grösste Schneckenfarm der Schweiz lud zum Schneckenfest.

 

ELGG - An die 100'000 Schnecken hausen auf der 1.3 Hektaren grossen Zuchtanlage hinter dem Riethof in Elgg, die seit 2004 existiert. Armin Bähler ist für die gesamte Anlage verantwortlich: " An den Schnecken fasziniert mich vor allem ihre Langsamkeit, dies ist gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit was ganz Angenehmes." Ausserdem seien es Tiere, die nicht davonrennen oder laute Geräusche von sich geben würden.
Die Schneckenfarm in Elgg liefert die reifen Schnecken direkt an die Gastronomie. Dieses Jahr rechnet Bähler mit einer Tonne (ca. 40'000 Schnecken), die er im Herbst zum Verkauf anbieten kann.

Schnecken ertranken
Im Jahre 2007 war ein Grossteil der Zucht von Armin Bähler bei heftigen Regenfällen ertrunken: " Wir haben erst im Nachhinein festgestellt, dass wir prakisch wieder bei Null beginnen konnten. Die Schnecken hatten drei Jahre gebraucht, bis sie vollständig ausgewachsen waren."
Bähler hat gehandelt und eine weitere Schneckensorte ins Zuchtprogramm aufgenommen, die bereits nach einem Jahr reif ist. So könnten etwaige Ernteausfälle schneller kompensiert werden. Die Schnecken, die in Elgg zu Speisezwecken gezüchtet werden, sind die bekannten Weinbergschnecken. Sei den 70er-Jahren ist diese Art in der Schweiz geschützt und diese Schnecken dürfen in der freien Wildbahn nicht eingesammelt werden. "Die Bestände haben sich seitdem langsam erholt", weiss Bähler. Aber nicht jede Schnecke landet in der Zuchtanlage in Elgg in der Pfanne: Interessierte können mit einer Patenschaft von zehn Franken pro Jahr Schnecken-Götti werden. Eine solche Patenschaft sichert einer Weinbergschnecke ein langes Leben in einer biologischen und ökologischen Umgebung - eine Weinbergschnecke kann bei idealen Umständen bis zu 30 Jahre alt werden. Neben einigen Führungen und aufschlussreichen Informationen zur Schneckenfarm gab es am Wochenende auf dem Riethof eine gemütliche Festbeiz mit musikalischer Unterhaltung.
Für die Kinder war vor allem der Samstagnachmittag mit dem traditionllen Schneckenrennen ein Höhepunkt. Armin Bähler platzierte die Schnecken im Startkreis und erklärt: " Einen Startschuss braucht es nicht, denn die Schnecken können sowieso nichts hören." Ein Knabe rief denoch euphorisch: " Chom Vieri, gib echli Gas!" Das Rennen dauerte 20 Minuten und dannach war klar, dass die Weinbergschnecke mit der eingravierten Nummer zehn das Rennen für sich entschieden hatte, obschon sie kaum weiter als zehn Zentimeter gekrochen war. Es ist eben alles eine Frage der Relation.

 

SVEN EPTING

 


Schneckenzüchter hofft auf milden Winter

Der Landbote, 22. Oktober 2009 -  Michael Weber

 

Nicht nur Igel, Dachs und Bär ziehen sich im Winter zurück. Auch die Weinbergschnecken in der Elgger Schneckenfarm verschlafen die kalten Monate in ihrem Häuschen.

ELGG - Die Schneckenfarm liegt verlassen da. Der Boden braun eingefärbt vom verrottenden Laub. Wo sonst Heerscharen von Weinbergschnecken um die Wette Salate vernichten, kreucht und fleucht nun gar nichts mehr. Spätestens letzte Woche hat sich die letzte der rund 30'000 Weinbergschnecken in ihr Häuschen zurück gezogen. "Die ersten fingen schon um den 10. September an, in den Winterschlaf zu gehen", erzähIt Schneckenzüchter Armin Bähler. Um unbeschadet zu überwintern, graben die Schnecken zuerst ein Loch in die Erde. In dieses verkriechen sie sich und beginnen, viel Kalk zu produzieren. Daraus basteln sie sich einen luftdichten Deckel, hinter dem sie sich bis etwa Mitte April vor Raubtieren, Kälte und Schnee schützen. Sobald die Zeit reif ist, stossen die Weinbersschnecken den Deckel wieder auf und beginnen ein neues Lebensjahr. Mindestens zwei Jahre alt müssen die Schnecken sein, um "geerntet" werden zu können. Das geht jedoch nur, wenn die Tiere "wach" sind. "Es handelt sich bei der Schneckenzucht um einen saisonalen Beruf", sagt Bähler. Die Schnecken mittels Gewächshaus künstlich vom Winterschlaf. abzuhalten, findet er keine gute Idee: "Die Italienische Südschnecke braucht den Winterschlaf zur Regeneration." Trotzdem überleben jeweils nur rund 20 Jungschnecken pro Muttertier den Winter. Bei harten Wintern sogar deutlich weniger. Ein Umstand, den Hobbygärtner freuen dürfte. Armin Bähler, welcher vor zwei Jahren einen Grossteil seiner Zucht verlor (siehe Kasten), hofft hingegen auf einen milden und kurzen Winter. Michael Weber

 

Nach Hochwasser wieder auf Kurs
Im August 2007 hat ein Hochwasser dem Betrieb von Armin Bähler einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Der Elgger Schneckenzüchter hat auf einen Schlag 20000 Mutterschnecken und Hunderttausende von Jungtieren verloren. Dabei handelte es sich um rund die Hälfte seiner Weinbergschnecken mit einem Gegenwert von 200000 Franken Bähler schätzte damals, dass seine Zucht um ein bis zwei Jahre zurückgeworfen wurde. Heute weiss er, dass er zu optimistisch war. Zwar habe man bisher immer wieder ernten können. Mit der Zucht habe er aber vor zwei Jahren wieder bei null anfangen müssen. "Wir hoffen, dass wir unsere erste richtige Ernte im kommenden Sommer, also drei Jahre nach dem Unwetter, durchführen können", sagt Armin Bähler. Die
Schneckenliebhaber werden sich bis dahin also noch in Geduld üben müssen. (maw)