Schneckenkaviar ist purer Luxus

Armin Bähler mit einigen seiner Schnecken, die unter Holzpaletten leben. (Bild: Nana do Carmo)
Armin Bähler mit einigen seiner Schnecken, die unter Holzpaletten leben. (Bild: Nana do Carmo)

ELGG. Armin Bähler betreibt eine Schneckenfarm in Elgg. Im Frühjahr leben dort fast eine Million Tiere. Von kleinen Netzen, die unter Strom stehen, werden sie in Zaum gehalten. Nach einem Stromausfall brauchte der Schneckenbauer drei Tage, um die Tiere wieder einzusammeln.

DANIELA HUBER

«Hoi zäme», steht auf einer kleinen Wandtafel in Schneckenform vor der «Wirtschaft zum Schnäggehüsli» auf der Schneckenfarm der Familie Bähler. Im Restaurant herrscht sommerliche Nachmittagsstille, klassische Musik spielt aus einem Radio. Der 44jährige Armin Bähler schenkt Schneckenelixier zum Probieren in die Gläser. Der Schnaps besteht aus Kräuterbrand und Schneckenextrakt. Er schmeckt süss, leicht nach Anis, hat aber keinen drin. Der Geschmack kommt allein von den Kräutern und den Schnecken. «Vor zehn Jahren kam mein Vater zu mir und sagte: <Junior, jetzt machen wir eine Schneckenfarm>», erzählt Armin Bähler.

 

Der Anfang war harzig

Der gelernte Goldschmied liess sich vom Unternehmergeist mitreissen und so begannen die beiden Herren Bähler damals mit 15 000 Weinbergschnecken ihr Unternehmen. Der Anfang sei harzig gewesen. Nach drei Jahren, gerade als die ersten Schnecken endlich ausgewachsen waren, zerstörte eine Überschwemmung fast den ganzen Bestand, und die beiden Schneckenbauern mussten wieder von vorne beginnen.

Auch das Schneckenelixier sei eigentlich aus einer Not entstanden. Eine spanische Wegschnecken-Plage hatte Armin Bähler auf die Idee gebracht, aus der Mühe einen Segen zu machen, und mit einer Schnapsbrennerei zusammen die kleinen Plaggeister zu verarbeiten.

«Wir arbeiten mit dem, was das Land und das Leben hergibt», erklärt der aufgestellte Bauer und rückt seine Kappe zurecht. Nach den ersten drei mühsameren Jahren stellte sich der Erfolg ein: die Katastrophen blieben aus, die Schnecken wurden erwachsen und die Einmachgläser mit Schneckenfilets gefüllt.

Das Pfännli ist der Klassiker

Die erstklassigen Produkte lockten bald Feinschmecker aus der ganzen Schweiz nach Elgg, und immer öfter kam auch die Frage auf, ob man hier auch gleich Schnecken essen könne. «Angefangen hat es mit zwei Festbänken», erinnert sich Armin Bähler, «und heute haben wir einen Betrieb mit fast hundert Plätzen.» Da, wo früher die Schreinerwerkstatt des Grossvaters war, steht nun eine Bartheke mit einem Stapel kleiner weisser Menukarten darauf.

Die «Schneckenpfanne» für 14.50 Franken steht ganz oben. Das Schneckenpfännli bringt die unterschiedlichsten Menschen hierher: Touristen, der Berner Landfrauenverein, Kegelclubs, Banker und Anwälte. «Die Anwälte waren richtig froh, dass sie mal die Krawatte ausziehen durften», erinnert sich Armin Bähler.

Schönheitssalons fragten an

Es ist heimelig auf dem Hof zwischen Wald und Wiesen. Fast meint man zu spüren, dass hier Tiere leben, die es gar nicht eilig haben. Trotzdem keine Spur von Langeweile. «Ich bin eigentlich eher so der Modelleisenbahn-Typ», sagt Armin Bähler, «Ich baue etwas zusammen und dann gehe ich wieder weiter. Nach zehn Jahren bin ich selber erstaunt, dass mich das Gewerbe immer noch fasziniert.»

Mit der Zeit kamen immer mehr Produkte zur Schneckenpfanne und den Schnecken im Glas. Der Schneckenkaviar ist das Luxusprodukt des Unternehmens und pro Kilo stolze zweitausend Franken wert. Der neuste Verkaufsschlager besteht aus einem Gel und einer Handcrème mit Schneckenextrakten.

Zuerst hätten manchmal Schönheitssalons nach Tieren gefragt, welche dann auf dem Gesicht des Klienten herumkriechen sollten. Aber Armin Bähler möchte seine Schnecken nicht in fremde Obhut geben. Die Produktion einer Crème jedoch hat ihn überzeugt.

Leere Schneckenhäuser, vergoldete Schneckenhäuser, Schneckenlebern und sogar Schnecken-Patenschaften gibt es zu ersteigern. Wer Schneckengötti sein möchte, wird zum Paten einer numerierten Weinbergschnecke, die sich im «Schnäggegöttifeld» tummelt.

Holzplatten als Versteck

Im Frühling tummelt sich insgesamt fast eine Million Weinbergschnecken auf dem Gelände der Familie Bähler. Die Tiere leben in ihrer natürlichen Umgebung und sind mit Holzplatten eingedeckt, unter denen sie sich verstecken können. Im Zaum gehalten werden sie von kleinen Netzen unter Strom. Als es einmal einen Stromausfall gegeben hatte, habe er drei Tage gehabt bis er seine Tiere wieder eingesammelt hatte.

Ob sein Leben sehr anders wäre, wenn er stattdessen Rennmäuse züchten würde? «Das wären nicht meine Tiere», sagt Armin Bähler und lacht. Er steht jeden Morgen um 5 Uhr auf und macht dann seinen Rundgang auf dem Feld. Da geniesse er die Ruhe am besten.

Etwas mit Schokolade

Als Schneckenbauer hat man immer wieder neue Möglichkeiten, und es gibt ständig etwas Neues zu entdecken. Als nächstes wolle er vielleicht etwas mit Schokolade machen, aber was genau, das behält er noch für sich. Und im August, da steht dann das grosse Schneckenfest mit Musik, Schneckenpfannen, und natürlich: einem grossen Schneckenrennen.

 

Thurgauer Zeitung vom 06. August 2015

Armin Bähler mit einigen seiner Schnecken, die unter Holzpaletten leben. (Bild: Nana do Carmo)